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JSW JUNGES UND STUDENTISCHES WOHNEN SANDWIRT INNSBRUCK | TYPE opencompetition LOCATION Innsbruck / Austria CLIENT Innsbrucker Immobilien GmbH & Co KG YEAR 2023 COLLABORATIION ARGE mit Pichler & Traupmann Architekten ZT GmbH TEAM Michael Kraker, Stefan Nadegger, Bartosz Lewandowski, Moritz Kühn, Stefan Zimmermann LANDSCAPE Carla Lo Landschaftsarchitektur, Wien
_Stadt der Studierenden am Inn:
Dieses äußerst inspirierende Programm ist äußersten Herausforderungen unterworfen:
- der Lage an einer verkehrsreichen Straßenkreuzung,
- der Vorgabe, ein überdurchschnittlich großes Bauvolumen umzusetzen und
- dem Wunsch, möglichst viel der Grundstücksfläche von Bebauung freizuhalten.
Aus diesen sich gegenüberstehenden, gewissermaßen ein Dreieck bildenden Anforderungen entwickelte sich ein stringenter und radikaler Ansatz:
- Abschirmung von den Emissionen des Straßenverkehrs durch eine winkelförmige, relativ niedrige Bebauung
- Realisierung des Großteils des Programms in einem ökonomisch konzentrierten Hochhaus, mit relativ geringem Fußabdruck, in X-Form
- Positionierung der Bauten möglichst im Osten, sodass eine betont breite Fortfüh-rung der Grünachse aus dem Campagne-Areal ermöglicht wird
Die Randbebauung ist mit vier Geschoßen relativ niedrig, gliedert sich städtebaulich ein und wirkt als Schallschutzwand für das dahinterliegende Quartier. Sie enthält studentische Wohneinheiten, die keine unmittelbar wohnungsbezogene Freiräume benötigen und mit ef-fektiven Schallschutzfenstern ausgestattet sind. Im Gegenzug werden gemeinschaftliche Freiräume am und im zum Inn orientierten Hof angeboten, der ganz dem studentischen Le-ben gewidmet ist.
Der Turm hingegen fungiert als städtebauliche Dominante, im Wechselspiel mit dem auf der anderen Seite des Inns diagonal gegenüber liegenden Hochhaus Schützenstraße als jeweiliger „Brückenkopf“ der Grenobler Brücke einerseits, und andererseits als prononcierter Abschluss der Campagne-Entwicklung im Norden, als Abschluss der städtisch gemischten Entwicklung vor dem Gewerbegebiet im Osten und als Umlenkpunkt hin zur Innpromenade Richtung Westen.
Seit der Moderne wird diskutiert, hohe Dichte durch hohe Bauten bei gleichzeitigem Freilas-sen von Freiräumen oder durch dichte, eher kleinmaßstäbliche Bebauungen mit größerer bebauter Fläche zu erzielen. Die Innsbrucker Olympischen Dörfer sind klassische Beispiele für den erst genannten Weg, das Campagne-Areal als Reflexion darauf für den zweiten Weg. Wir haben uns entschieden, in der besonderen Lage am Fluss und am Freiraum im Zusam-menhang mit der Innpromenade, noch einmal ein „klassisches Zeichen“ zu setzen.
Der Aufgabe adäquat ist es jedenfalls. Nicht umsonst zitieren die Auslobungsunterlagen die „Campus Hall“ in Odense von C.F. Moller, die eine gewisse Verwandtschaft mit dem berühm-ten Gebäudekomplex „Peabody Terrace“ der Harvard University für studentisches Wohnen von Josep Lluis Sert nicht leugnen kann. Paradigmatisch für uns war auch die Lage der Sert-Türme am Charles River!
Das X als ikonische, zugleich aber zutiefst pragmatische Figur: Die vier Flügel weisen ein außerordentliches Maß an Belichtungsfläche auf und ermöglichen vielfältige Ausblicke in alle Richtungen. Im Zentrum und Schnittpunkt lassen sich ökonomisch die gemeinsamen Kerne situieren, die die notwendigen zweifachen Fluchtwege garantieren.
Die Durchmischung aller Wohnformen war uns ein besonderes Anliegen. Nicht nur die Durchmischung der vielen verschiedenen Formen des studentischen Wohnens, wie schon in der L-förmigen Randbebauung durchgeführt, sondern auch jene mit dem „jungen Wohnen“. Im X-förmigen Grundriss des Turms kreuzen sich die beiden schlanken Flügel des „jungen Wohnens“ mit den breiteren Flügeln des studentischen Wohnens.
Dem Wohnen in einer historischen Stadt analog sollen auch in der vertikalen Stadt alle sich überall begegnen können. Im Kreuzungsbereich der Flügel finden sich nicht nur die von beiden Wohnformen zu nutzenden Erschließungskerne, sondern vor allem auch Gemein-schaftsbereiche zur informellen Begegnung. Zweigeschoßige Bereiche, versetzt angeordnet, erfüllen diese Zonen mit besonderer Attraktivität.
Die studentische Stadt wird am Eck des Kreuzungsbereiches betreten, dort fußläufig bes-tens erschlossen. Im Erdgeschoß der Randbebauung finden sich Gewerbeeinheiten sowie das Jugendzentrum, das zweigeschoßig ausgebildet ist und bis in das Untergeschoß reicht, um der Jugend eine gewisse Abgeschirmtheit zu gewährleisten. Entlang einer diagonalen Durchwegung gelangt man in den Hof, ganz den Studierenden und der Jugend vorbehalten, zur teilweise zweigeschoßigen Eingangslobby, an die der Veranstaltungssaal und Studierbe-reiche angelagert sind, und in weiterer Folge zur Innpromenade.
Der Freiraum ist klar zweigeteilt: einerseits in den zwar abgeschirmten, zum Inn jedoch dennoch geöffneten Hof der Studierenden, und andererseits in die großzügige Fort- und Weiterführung der geplanten Grünachse aus den Campagne-Projekten, die sich auf breiter Front mit der Innpromenade vereinigt. Die Flügel des X-Turms sind teilweise unterschnitten, um noch mehr und „flüssigen“ ebenerdigen Freiraum zu erreichen. An der parkähnlich gestal-teten Grünachse ist auch das Restaurant mit seinem Außenbereich gelegen. Im Gebäudein-neren verbindet es sich sinnfällig mit dem Veranstaltungssaal. Die pavillonartige Struktur der benachbarten Jugendherberge bleibt in ihrer Identität völlig erhalten: Sie sitzt zukünftig nun am Park und sieht sich keiner Gebäudefront gegenüber. An dieser Stelle scheint für uns auch die Überquerung der Reichenauer Straße verkehrsplanerisch kein Problem zu sein, gibt es doch in ebendieser Straße etwas weiter westlich mehrere Situationen mit Schutzwegen zu beiden Enden einer Straßenbahnhaltestelle.
Die Fassaden spiegeln das Innenleben der Häuser und reagieren zugleich auf die Anforde-rungen des Brandschutzes wie auch des Schallschutzes. Zimmer ohne eigenen Freibereich verfügen über Bandfenster mit Parapet, während Wohnräume mit Freibereich mit raumhohen Verglasungen ausgestattet sind, die rund um Loggien angeordnet sind. Diese Freiräume springen als Balkone zusätzlich vor die Fassadenebene, um als „Brandriegel“ zu fungieren. Die genannten Elemente sind gegeneinander versetzt und spielerisch verteilt, was durch die Abwandlung des Regelgeschoßes in jeder zweiten Ebene gelungen ist, und ein abwechs-lungsreiches Erscheinungsbild erzeugt.
Zum Schallschutz kann abschließend festgehalten werden, dass die Randbebauung als rund 15 Meter hohe Schallschutzwand fungiert, während das Hochhaus von der Schallquelle genügend abgerückt ist, seine Flügel zum Teil von der Schallquelle weggedreht sind, welche zusätzlich allein aufgrund der Höhe und der damit verbundenen Entfernung an Relevanz ver-liert. Der Schallschutz der Einheiten in der schützenden Randbebauung selbst wird durch eine Art Kastenfensterkonstruktion mit Prallscheibe gewährleistet, die als eine zwar nicht betretbare, aber als bepflanzbare Wintergartensituation den Studierenden zur Verfügung steht.
Das Energiekonzept nutzt die Lage am Fluss und sieht Grundwasserwärmepumpen vor. Ergänzt wird dieses durch PV-Anlagen am Dach.
Die Gebäudezertifizierung soll bereits in der Entwurfsphase in den Planungsprozess mit einbezogen werden, um ein Maximum an Nachhaltigkeit zu erreichen. So ist beispielweise die Verwendung von Recycling-Beton und von Fassadenmaterialien aus der Kreislaufwirt-schaft angedacht.
Die Summe also an Überlegungen, ineinandergreifend, formiert … das X am Inn.